Die Liegenschaft «Misteli» verfügt über eine lange und spannende Geschichte. Die Fundamente des Hauses stammen aus römischer Zeit. Auch im mittelalterlichen Solothurn hatte die Liegenschaft eine markante Stellung und prominente Hausherren. Die Schultheissen Peter Hebolt († 1532 Solothurn) und wohl auch Niklaus von Wengi der Jüngere (1485-1549 in Solothurn) – der in der Zeit der Reformation vor die Kanone gestanden ist, um einen Bürgerkrieg zu verhindern, und später Namenspatron der Studentenverbindung Wengia wurde – haben in diesem Haus gewohnt und regiert. Das Haus war damals quasi das Regierungsgebäude des Standes Solothurn also nicht bloss der Stadt, sondern des Kantons. Das für eine Fügung des Schicksals, dass das alte «Wengihaus» rund ein halbes Jahrhundert später zum «Wengianerhaus» der Verbindung «Wengia» wurde!
Bereits Niklaus Wengi soll in der Liegenschaft eine Gaststätte betrieben haben. Urkundlich gesichert ist, dass seit dem Jahr 1831 ein Pintenschenkrecht auf der Liegenschaft bestand. Seit dem Erwerb des Hauses durch Viktor Schmid-Zuber im Jahre 1851 hiess das Restaurant «Café Schmid», war aber im Volksmund bekannt als «Café Waterloo», später – nach Heirat der Witwe Schmid mit Stadtkassiers Major Johann Schöpfer – hiess es «Café Schöpfer». Am 31.12.1908 erwarben Oskar und Luise Misteli-Gasche die Liegenschaft – seither ist sie als «Weinstube Misteli-Gasche» bekannt. Aus dieser Zeit stammt auch das schöne schmiedeeiserne Wirtshausschild «Weinstube Misteli-Gasche» (1924), welches bis heute die Fassade schmückt.
Das Misteli wurde bereits im Jahre 1943 Stammlokal der Wengia Solodorensis. Im Jahr 1986 erwarben die «Wengianer» mit einer Genossenschaft (Baugenossenschaft der Wengia) die Liegenschaft. Das Restaurant wurde verpachtet. Im Jahr 2005 wurde die Genossenschaft in die Misteli AG umgewandelt und die Liegenschaft wurde von Kopf bis Sohle renoviert. Seither sah das Haus verschiedene Mieter und «Gastrokonzepte».2022 wird das Restaurant umgestaltet und am 15. September unter dem Namen «Oskar & Luise» eröffnet – in Rückbesinnung auf Oskar und Luise Misteli Gasche, welche das Restaurant von 1909 bis 1948 als «Weinstube Misteli Gasche» führten.
Oskar Misteli (*12.05.1870 von und in Aeschi SO, † 23.01.1938) war Schmied in Aeschi und heiratete am 05.08.1905 Luise Gasche (*19.06.1877 von und in Bolken SO, † 22.01.1965). Sie war ein Verdingkind und arbeitete bereits als zwölfjährige als Hilfskraft im Hotel Krone in Solothurn. Später arbeitete sie als Gouvernante und Bedienung im Café Schöpfer. Am 31.12.1908 konnte sie zusammen mit ihrem Ehemann dieses Restaurant übernehmen und führte dieses rund 40 Jahre, bis sie es am 01.02.1948 ihrem Sohn Peter Misteli übergab.
Solothurn, 12. August 2022 / Markus Reber